Literaturpreise 2024

Ein Zwischenbericht

Genreübergreifend und vollkommen subjektiv

16. Oktober 2024

Die 'Award Season' ist in vollem Gange - mit anderen Worten: in den letzten Tagen hat sich in Hinblick auf Literaturpreise (Genre und Nicht-Genre) eine Menge getan.

Wir rekapitulieren die jüngsten Ereignisse:

 

 

 

Literatur Nobelpreis

Wurde an die Koreanerin Han Kang vergeben. Eine nennenswerte Anzahl ihrer Werke ist auch schon auf Deutsch verfügbar, und Fans dürfen sich freuen: für Dezember dieses Jahres ist bereits das nächste angekündigt: "Unmöglicher Abschied". Ihr bekanntestes dürfte der Roman "Die Vegetarierin" sein.

 


sf-Lit sagt:

Genau diesen habe ich zufällig vor einigen Monaten gelesen, war aber leider nicht sehr angetan.

Was dort detailliert beschrieben wird: Eine psychisch kranke Frau geht langsam zugrunde. Ein Blick auf ihr bisheriges Leben und die sie umgebenden Menschen lassen Rückschlüsse zu, wie sie so wurde wie sie ist; was sie in die Katastrophe geführt hat. Wir bekommen ein Psychogramm, eine Gesellschaftskritik, eine eindringliche Schilderung des inneren und äußeren Zerfalls eines Menschen. Abgesehen davon, dass das alles ziemlich deprimierend und außerdem zunehmend eklig ist, erschloss sich mir der Sinn des Ganzen nicht so richtig. Es fängt interessant an, aber dann ... hmm. Nicht mein Fall.

 

Trotzdem habe ich mir (und zwar schon vor der Nobelpreisvergabe) vorgenommen, noch einen zweiten Versuch zu wagen und habe mir hierfür "Weiß" vorgemerkt, denn: Novellen gehen immer.

 



 

 

 

Deutscher Buchpreis

Ging an Martina Hefter für ihren Roman "Hey guten Morgen, wie geht es dir?".


 

Verlagsinfo:

Tagsüber hilft Juno ihrem schwerkranken Mann Jupiter dabei, seinen Alltag zu meistern. Außerdem ist sie Künstlerin, tanzt und spielt Theater. Und nachts, wenn sie wieder einmal nicht schlafen kann, chattet sie mit Love-Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen.

 

Juno schreibt online mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Doch statt darauf hereinzufallen, werden genau diese Männer zu einer Form von Freiheit für Juno. In den Gesprächen kann sie sein, wer sie will und sagen, was sie will – und das vermeintlich ohne Konsequenzen. Ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen Leben, in dem sie immer unterwegs, immer besorgt um Jupiter, immer beschäftigt und eingebunden ist. Also flüchtet Juno ab und zu vor ihrem Alltag ins Internet und spielt dort Spielchen mit Männern, die sie anlügen. Sie selbst wird zur Lügnerin. Aber ist es nicht so, dass man sich beim Lügen zuallererst selbst belügt? Eines Tages trifft Juno auf Benu, der ihre Behauptungen ebenso durchschaut wie sie seine. Und trotz der Entfernung zwischen ihnen entsteht eine Verbindung. »Hey guten Morgen, wie geht es dir« ist ein tiefgehender Roman, aber so leichtfüßig wie eine Komödie.

(c) Klett-Cotta

 

 

sf-Lit sagt:

Das klingt inhaltlich für mich jetzt erstmal nicht allzu spannend. Was mich allerdings dazu bringen könnte, es dennoch zu lesen, ist diese Youtube-Rezension von Sarah vom Kanal Bookmarked, die zunächst ebenfalls nicht so wahnsinnig interessiert war, es dann aber doch sehr mochte:

 

Das hört sich ja nun tatsächlich gar nicht mehr so uninteressant an, und in der Tat bin ich schon nahezu überzeugt, doch mal einen Blick zu riskieren.

Na, vielen Dank für diese potenzielle Erhöhung meines Lesestapels!

 

 

 

Deutscher Science-Fiction-Preis

Die Nominierungen wurden bekanntgegeben und sehen wie folgt aus:

 

Beste Kurzgeschichte

Christian Endres: "Die Straße der Bienen", erschienen in "Klimazukünfte 2050"

Uwe Hermann: "Die End-of-Life-Schaltung", erschienen in "Exodus 46"

Lisa Jenny Krieg: "Die Todbringerin", erschienen in "Exodus 46"

Karsten Lorenz: "Geliebte Savona", erschienen in "Nova 32"

Sarah Mann: "Das Ende des Suchraums", erschienen in "In andere Welten"

Aiki Mira: "Nicht von dieser Welt", erschienen in "Nova 32"

Jol Rosenberg: "Unterschied", erschienen in "Queer*Welten 10"

Michael Schneiberg: "Die Frau in der Wand", erschienen in "Exodus 47"

Yvonne Tunnat: "Trauergeschäfte", erschienen in "Exodus 47"

Charline Winter: "Grüne Herzen", erschienen in "Queer*Welten 11"

 

Bester Roman

Emma Braslavsky: "Erdling"

Sven Haupt: "Niemandes Schlaf"

Ralph Alexander Neumüller: "Das Stoffuniversum"

Phillip P. Peterson: "Janus"

Lena Richter: "Dies ist mein letztes Lied"

Mark Taler: "Omniworld"

Tom Turtschi: "Die blauen Hunde von Lop Nor"

 

 

sf-Lit sagt:

Bei den Kurzgeschichten gibt es eine ganze Reihe Überschneidungen mit der Nominierungsliste für den Kurd-Laßwitz-Preis vor einigen Monaten. Die hatte ich seinerzeit tatsächlich alle gelesen und einen ausführlichen Erlebnisbericht geschrieben (>> LINK). Gewonnen hatte den KLP Uwe Hermanns "Die End-of-Life-Schaltung" - mal sehen, ob ihm das Double gelingt. Mein Favorit war damals "Nur ein Werbespot" von Dieter Korger ... diese Story ist beim DSFP nicht nominiert.

 

Von den nominierten Romanen interessieren mich - ich gebe es offen zu - tatsächlich nur wenige. Von Emma Braslavsky und Sven Haupt habe ich schon verschiedenes gelesen und fand es nicht so überzeugend, dass ich da noch mehr nachholen müsste. Von Phillip P. Peterson habe ich schon gute (z.B. "Paradox", "Das schwarze Schiff") und schwächere (z.B. "Flug 39") Bücher gelesen, bei "Janus" interessiert mich das Thema aber nicht allzu sehr. Ähnliches gilt für "Das Stoffuniversum" und "Omniworld" - von beiden habe ich zudem schon ziemlich durchwachsene Meinungen gelesen. Reizt mich nicht.

Einzig Tom Turtschis Roman könnte ich mir interessant vorstellen. Einst hatte er den DSFP in der Kategorie "Beste Kurzgeschichte" gewonnen und seine knallharte Story "Don't be evil" mochte ich damals sehr. "Die blauen Hunde von Lop Nor" hole ich also vielleicht noch nach.

Ach so, und "Dies ist mein letztes Lied" von Lena Richter kenne ich bereits - das fand ich sehr gut. Da drücke ich die Daumen!

 

Ganz allgemein fände ich es beim DSFP mehr denn je wünschenswert, wenn öffentlich bekanntgegeben würde, wer denn da im Preiskomitee sitzt. Auf der Website steht lediglich "...das zur Zeit aus 16 ehrenamtlichen Mitgliedern besteht." So stand es dort aber auch schon vor einigen Jahren, als ich selbst eine Zeit lang dabei war - 16 Leute waren wir da allerdings nie.

Gerade nachdem es im letzten Jahr interne Querelen gab, bis hin zu einer zwischenzeitlichen Auflösung des Komitees, wäre es doch jetzt wirklich interessant und hinsichtlich der Transparenz und Akzeptanz auch sinnvoll, öffentlich zu machen, wer dort in der Jury mitmacht. (Ich persönlich habe da, was die aktuelle Zusammensetzung angeht, kein gutes Gefühl. Aber vielleicht ist ja alles ganz anders. Wir wissen es nicht.)

 

 

 

British Fantasy Awards

Wurden soeben vergeben. Neben diversen Kategorien (Fantasy Novel, Novella, Short Fiction, Collection usw.), in denen für Nicht-Original-Lesende hierzulande vermutlich nicht allzu viel zu holen ist, gibt es auch noch einen Preis für den besten Horrorroman, und dessen Gewinnertitel "Don't Fear the Reaper" (eine Fortsetzung des Locus- und Bram-Stoker-Award - Siegers "My Heart is a Chainsaw") von Stephen Graham Jones kann man immerhin auch auf Deutsch kaufen. Wenn man es sich für 45 Euro denn leisten kann und will.

Die Übersicht über alle nominierten und preisgekrönten Titel gibt es >>HIER.

 

 

 

sf-Lit sagt:

Die Titel sagen mir fast alle nichts. Den Horror-Gewinner würde ich schon ganz gerne lesen, allerdings nicht für den Preis.


 

 

 

Und zum Schluss dann der wichtigste und von der gesamten SF-Welt sehnsüchtig erwartete Preis:

 

Der sf-Lit Award

Da wurde gerade die Longlist herausgegeben. Siehe >> HIER.

 

Für alle, die zu faul zum klicken sind, hier nochmal ordentlich  aufgelistet:

Naomi Alderman: "The Future"

Ned Beauman: "Der gemeine Lumpfisch"

Ivan Ertlov: "Jenseits der Hoffnung"

Laurent Gaudé: "Hund 51"

John Ironmonger: "Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen"

Caroline Hofstätter: "Evergreen Ray" (= "Findungstag" & "Der allerletzte Tag")

Emily St. John Mandel: "Das Meer der endlosen Ruhe"

Lena Richter: "Dies ist mein letztes Lied"

Anthony Ryan: "Ein Fluss so rot und schwarz"

Neil Sharpson: "Ecce machina - Die Seele der Maschine"

Neal Stephenson: "Termination Shock"

Melanie Vogltanz & Stefan Cernohuby: "Im Auge der Leere"

 

 

Die Shortlist folgt voraussichtlich Anfang November, und weitere ca. 2 Wochen später dann die Bekanntgabe des Gewinner-Titels.

 

sf-Lit sagt:

Hammer-Liste! Muss man alles lesen! Genialer Award!


 

 

So, das waren ein paar ganz persönliche Gedanken zu den verschiedenen Literaturpreis-Ereignissen der letzten Tage. Jetzt heißt es erstmal wieder: Lücken auffüllen und lesen, lesen, lesen! Oder eben gerade nicht. Oder ganz anderer Meinung sein. Ganz wie es beliebt.