Sonja Rüther
nach einer Idee von Konrad Hollenstein
Feuertaufe (Geistkrieger 1)
2018
Knaur
400 Seiten
Eine Alternativweltgeschichte, in der die amerikanischen Ureinwohner einst von der Invasion der Europäer verschont worden und entsprechend unabhängig geblieben sind. Infolgedessen hat sich ihr Kontinent zu einem bewusst vom Rest der Welt abgeschotteten, aber mittlerweile hochmodernen und technisch führenden Staatengebilde entwickelt.
Das klingt nach einer spannenden Prämisse und einer Geschichte, die viel Potenzial bereithält. Doch letztlich erfahren wir leider gar nicht allzu Genaues über diese Welt; es gelingt der Autorin einfach nicht, sie natürlich und homogen erscheinen zu lassen.
Stattdessen dreht es sich vorrangig darum, dass die einheimischen Schamanen mit einer Totem-/Geisterwelt in Kontakt treten können, die großen Einfluss auf das dortige Leben nimmt. Überhaupt spielen sich reichlich mysteriöse, übernatürliche und für den gewöhnlichen Europäer völlig unerklärliche Dinge ab. Das schrammt dann leider alles mal wieder allzu nahe am üblichen Indianerklischee und -kitsch entlang.
Auch in handwerklicher Sicht gibt es Schwächen, was beispielsweise schon gleich damit losgeht, dass die Hauptfigur ein nerviger, unsympathischer Volltrottel ist. Natürlich ist das absichtlich so konstruiert, um seinen späteren Wandel zum Positiven umso deutlicher darstellen zu können, aber das kommt doch arg plump und zu dick aufgetragen rüber. Außerdem wird im Laufe des Romans keine klare Erzählstimme gefunden: immer wieder irritieren unpassende (und unbeabsichtigt wirkende) Perspektivwechsel, teilweise mitten innerhalb einer Szene.
Doch selbst wenn es bis hierher anders geklungen hat: Gänzlich misslungen ist das Buch definitiv nicht. Es gibt - gerade in der zweiten Hälfte - zweifellos viele gelungene Passagen, spannende Momente und eindrücklich beschriebene Szenen. Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Alternativwelt hier nicht im Mittelpunkt steht, sondern lediglich die mäßig genutzte Kulisse für eine Mystery-/ Geistergeschichte bildet.
Wer an einer solchen mehr Interesse hat als an einem ausgefeilten Weltenbau und wer einen recht blutrünstigen Krimi mit übernatürlichen Elementen lesen möchte, wird mit der Geschichte von den Geistkriegern (die allerdings mit diesem ersten Teil noch keineswegs abgeschlossen ist) durchaus gut bedient.
Am Ende bleibt aber dennoch die Frage: Wenn die Autorin eine dermaßen aufregende und spektakuläre Bühne vorbereitet, um dann letztlich eine Geschichte zu erzählen, die eine solche kaum benötigt hätte ... wozu dann die Kulisse?