Monica Byrne

Die Brücke

 "The Girl in the Road"

 

2014

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Übersetzung: Irene Holicki

Heyne

444 Seiten

Broschierte Auflage 2015



 

Der Hintergrund

Die US-Amerikanerin Monica Byrne begann ihre schriftstellerische Karriere mit dem Verfassen von Theaterstücken.  Im Jahr 2014 erschien mit "Die Brücke" ihr Debütroman, für den sie auf Anhieb den "James Tiptree Jr."-Award gewann.

 

 

Das Thema

Zwei Frauen auf dem Weg zu sich selbst

 

 

Der Einstieg

"In diesem Moment fängt die Welt neu an.

Ich hebe meine Kurta vom Boden auf und schlüpfe wieder hinein. Der blutige Stoff klebt an meiner Haut."

Was für ein dramatischer Einstieg. Es bleibt allerdings nicht durchgängig so rasant.

 

 

Der Inhalt

Auf der Handlungsebene stellt dieser Roman einen klassischen Roadtrip dar. Genauer gesagt handelt es sich sogar um zwei Roadtrips, denn es werden die Reisen zweier aus verschiedenen Kontinenten stammender Frauen geschildert. Die eine von ihnen, eine erwachsene Frau mit unklarer Vergangenheit, wandert über die titelgebende Brücke von Indien nach Afrika, während die andere, anfangs noch ein kleines Mädchen, auf der Ladefläche eines LKW quer durch Afrika reist.

 

 

Form, Stil und Sprache

Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei Protagonistinnen, deren Geschichten kapitelweise abwechselnd und jeweils aus der Ich-Perspektive erzählt werden. Wie in solchen Fällen üblich, bleibt lange Zeit unklar, in welcher Weise die beiden Handlungs-stränge zusammenhängen. Oder ob sie das überhaupt tun.

Satzbau und Formulierungen dieses Romans sind in der Regel kurz und einfach gehalten, aber zwischendurch bedient sich die Autorin immer mal wieder einer poetischen und nebulösen Sprache (siehe weiter unten den Punkt "Methaphern und Andeutungen").

 


Lob und Kritik

+++++ Einige interessante Science Fiction-Aspekte - - - - -

Dem geneigtem Genreliebhaber fallen mehrere Dinge positiv auf, die eine SF-Geschichte zu einer SF-Geschichte machen.

Beispiel Weltenbau: Monica Byrne beschreibt eine interessante Zukunftsversion. In der von ihr erschaffenen Welt hat Europa dramatisch an Bedeutung verloren, während Indien zu einer neuen Supermacht aufgestiegen ist. Politische und soziale Entwicklungen werden knapp aber anschaulich geschildert.

Beispiel Technik: die der Geschichte zugrunde liegende gigantische Brücke, die über tausende Kilometer übers offene Meer verläuft und der Energieerzeugung dient, ist eine spektakuläre und originelle Erfindung.

Zudem tauchen einige genretypische Gadgets auf, wie zum Beispiel elektronische Sender, die allen Menschen eingepflanzt werden. 

ABER: Insgesamt wird die Technik nur am Rande erwähnt und nicht allzu detailliert erläutert und ist somit eigentlich nebensächlich. Das muss zwar nicht zwangsläufig der Story schaden, aber es stellt sich durchaus die Frage, warum die Autorin ihren Roman überhaupt in einem Science Fiction - Setting angesiedelt hat. Denn der eigentliche Kern der Geschichte hätte auch problemlos in der heutigen Welt erzählt werden können.

 

+++++ Afrika (und ein bisschen Asien) +++++

Indem wir das afrikanische Mädchen auf seiner Fahrt quer durch den Kontinent begleiten, erfahren und lernen wir eine Menge über Afrika. Stellenweise bekommt der Roman dadurch fast schon den Charakter eines Reiseberichtes. Dabei ist es zweitrangig, dass die Geschichte in der Zukunft spielt, denn viele Einzelheiten, die wir über Zustände und Befindlichkeiten von Ländern und Menschen erfahren, beschreiben auch die Gegenwart sehr anschaulich.

Ähnliches gilt - wenngleich in deutlich geringerem Maße - auch für Asien. Hier wird uns in Rückblenden und Erinnerungen der Protagonistin einiges über das Leben im gegenwärtigen und im zukünftigen Indien erzählt. 

 

 - - - - - Metaphern und Andeutungen - - - - -

Vieles in diesem Roman wird auf eine (positiv ausgedrückt) geheimnisvolle, beziehungsweise (negativ gesagt) schwammig nebulöse Weise erzählt. Der Text - so schlicht die eigentlichen Satzkonstruktionen in der Regel auch sind - strotzt nur so vor merkwürdigen Metaphern und unklaren Andeutungen. Um "Die Brücke" genießen zu können, sollte man also ein Faible für eine Erzählweise haben, in der sich nicht auf Anhieb erschließt, worum es eigentlich geht oder worauf die Autorin hinaus will.  Andernfalls dürfte man sich als Leser des Öfteren eher verwirrt oder genervt fühlen. Zudem werden immer wieder sexuelle Erinnerungen oder Phantasien eingestreut, die seltsam unpassend und somit irgendwie sinnlos wirken. Kurz: Sprachlich und stilistisch ist dieser Roman mit Sicherheit nicht jedermanns Sache.

 

- - - - - Unsympathische Hauptfiguren - - - - -

Das größte Problem dieses Romans sind eindeutig seine beiden Hauptcharaktere: man mag sie einfach nicht. Wie soll man mit den wichtigsten Personen einer Geschichte mitleiden, -hoffen und -bangen und warum sollte man an ihrem Schicksal interessiert sein, wenn sie über weite Strecken als unsympathisch, unangenehm und psychotisch geschildert werden? Nein, das kann einfach nicht funktionieren. Letzten Endes ist man sogar froh, wenn man das Buch beendet hat und sie damit endlich los ist.

 

 

Das Fazit

Verschwurbelt erzählter Selbstfindungstrip zweier unsympathischer Frauen, der zufällig in der Zukunft spielt.


Monica Byrne

Die Brücke

Eine sf-Lit Rezension von 2015