Dirk C. Fleck
GO! Die Ökodiktatur
1993
p.machinery
266 Seiten
Neuauflage 2013
Der Hintergrund
Die erste Auflage dieses Debütromans des Journalisten Dirk C. Fleck erschien im Jahr 1993 im Rasch und Röhring Verlag. Über ein Jahrzehnt später, das Buch war inzwischen längst vergriffen, veröffentlichte der Autor im Selbstverlag die hier besprochene aktualisierte und überarbeitete Neuauflage. 2013 schließlich wurde "GO! Die Öko- diktatur" vom Verlag p.machinery erneut herausgegeben. Das Thema hat also ganz offensichtlich nichts von seiner Aktualität verloren.
Das Thema
Der Ökozid und seine Folgen
Der Einstieg
"Martin Heiland stocherte nervös in seinem Essen. 'Siehst blass aus', bemerkte Peter Buchholz. Als sein Freund nicht reagierte, versuchte er es mit einem Scherz: 'Ich werde den Piloten bitten, die Kiste so richtig ins Trudeln zu bringen, das belebt. Die Spanier verstehen sich auf solche Kunststückchen.'"
Schon bald wird es allen Grund geben, tatsächlich so richtig blass zu werden.
Der Inhalt
Um der fortschreitenden Zerstörung der Erde endlich ein Ende zu machen, wagte eine Gruppe von Wissenschaftlern und Umweltaktivisten im Jahr 2020 die große Revolution. Sämtliche westliche Industrienationen stehen seither unter der strengen Herrschaft einer sogenannten Ökodiktatur. Diese setzt zahlreiche Maßnahmen in Gang, die die kapitalistisch motivierte Ausbeutung und Zerstörung unseres Planeten augen-blicklich beenden und die kommenden Jahrzehnte der Wiederherstellung eines gesunden ökologischen Gleichgewichts widmen sollen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, sind solche Ziele mit demokratischen Methoden nicht zu erreichen, deshalb werden sie mit Gewalt und teils menschenverachtender Brutalität umgesetzt. Das Motto lautet "Erst die Erde, dann der Mensch" - womit die Prioritäten deutlich umschrieben sind. Der Roman spielt etwa zwanzig Jahre nach jener Revolution und schildert das Leben in dieser neuen Weltordnung aus verschiedenen Perspektiven.
Form, Stil und Sprache
Formal besteht "GO! Die Öko-Diktatur" aus vielen kurzen Kapiteln, in denen die Ereignisse aus Sicht von mehreren Hauptfiguren erzählt werden. Teilweise kreuzen sich deren Wege, aber einige Handlungsebenen verlaufen völlig unabhängig voneinander.
Dirk C. Fleck hat ein klares Anliegen. Sein Buch ist als Warnung an die Menschheit zu verstehen und soll eine Botschaft vermitteln. Er verfügt über jede Menge Hintergrund-wissen und möchte uns möglichst viel davon mitgeben. Darunter leidet jedoch der Stil, den wir als Leser eines Romans erwarten, denn über weite Strecken wirkt dieses Werk fast schon wie ein Sachbuch.
Lob und Kritik
+++++ Aktueller Bezug +++++
Dass die in diesem Roman behandelte Umweltthematik auch heute noch aktuell ist, versteht sich von selbst - aktueller denn je, möchte man sogar meinen. Und es steht zu befürchten, dass sie in Zukunft noch weiter an Brisanz zunehmen wird.
Darüber hinaus tauchen weitere Bezüge zu unserer heutigen Gegenwart auf, die aktueller nicht sein könnten. So wird etwa von einer Flüchtlingswelle berichtet, die aus dem afrikanischen und arabischen Raum nach Europa drängt - und der in diesem Buch auf denkbar radikalste Weise begegnet wird. Das Schlagwort vom "Aufbau einer Festung Europa" klingt im Jahr 2015 leider erschreckend vertraut.
Selten findet man einen Roman, der mehr als zwanzig Jahre nach seinem Erscheinen noch derart zeitgemäß wirkt.
+++++ Geschickter Ansatz +++++
Der einfachste Weg, eine Geschichte zu erzählen, in der die katastophalen Folgen jahrzehntelanger Umweltzerstörung behandelt werden, wäre vermutlich eine ganz simple Schwarz-Weiß-Malerei gewesen. Auf der einen Seite der Skala gibt es die Bösen: Profitgierige Großkonzerne, die mit Unterstützung der ihnen hörigen Medien und Politiker die Welt in den Abgrund gewirtschaftet haben. Demgegenüber stehen die Guten: Weitsichtige, kluge Menschen, die die Zukunft des Planeten im Blick haben und mit Idealismus und Vernunft dafür sorgen, dass die Sünden der Vergangenheit ausgebügelt werden.
Doch Dirk C. Fleck stellt es geschickter an. Zwar werden die "Bösen" tatsächlich schonungslos direkt als kurzsichtig, dumm und egoistisch dargestellt, aber er macht es sich nicht so leicht, die Umweltschützer als bedingungslos "gut" darzustellen. Im Gegenteil: Die im Titel bereits so benannte Öko-DIKTATUR ist definitiv kein System, in dem wir gerne leben möchten. Zur Durchsetzung ihrer Ziele gehen die neuen Herrschenden ebenso gnaden- und rücksichtslos vor wie die Generationen vor ihnen. Nur die Ziele haben sich radikal geändert.
So gelingt es dem Roman, sich zwar einerseits deutlich zu positionieren, aber zugleich die negativen Seiten seines "Lösungsvorschlags" offen und ungeschönt zu benennen.
Potenziellen Kritikern, die ihm naive Träumerei und eben jene vereinfachende Schwarz-Weiß-Malerei vorwerfen könnten, ist damit schon mal der Wind aus den Segeln genommen.
- - - - - Belehrend und dozierend - - - - -
Uns begegnet in diesem Buch kaum ein Protagonist, der nicht ungefragt Vorträge über die Auswirkungen früherer Umweltsünden hält. Fast alle hier auftretenden Haupt- und Nebenfiguren scheinen genauestens über sämtliche Einzelheiten von Industrie und Technik der Vergangenheit Bescheid zu wissen und zudem stets die dazugehörigen Statistiken parat zu haben. Die Intention des Autors ist natürlich klar: Es sollen möglichst viele Daten und Informationen untergebracht werden. Aber als Leser fühlt man sich dabei des Öfteren wie ein Student in einer Vorlesung, oder schlimmer noch: wie ein Zuschauer einer polemisch geführten Polit-Talkshow. Spätestens wenn der Text dann zeitweilig in kitschig-esoterische Indianerromantik abdriftet, wird das Weiterlesen fast schon zur Qual.
- - - - - Erzählerische Schwächen - - - - -
Die eigentliche Handlung dieses Romans ist sehr überschaubar. Es werden hauptsächlich zwei Handlungsstränge geschildert, zwischen denen es jedoch keine Berührungspunkte gibt und die somit irgendwie wahllos und beliebig wirken. Ähnliches gilt für die Charaktere: sie sind nicht allzu detailliert ausgearbeitet, was erstens zur Folge hat, dass sie relativ austauschbar erscheinen (so kann man sie trotz Personen-registers am Anfang des Buches durchaus schon mal verwechseln) und zweitens dazu führt, dass keine echte Sympathie oder gar Identifikation mit den handelnden Personen aufkommt. Das wäre für einen packenden Roman aber doch eigentlich unerlässlich.
Das Fazit
Ein großes und wichtiges Thema, zu dem eine Menge Informationen vermittelt werden. Aber das Erzählen einer wirklichen
Geschichte ist leider nicht besonders gut gelungen.