Jodi Taylor

Miss Maxwells kurioses Zeitarchiv

"Just One Damned Thing After Another" 

 

2013

   

 

 

Übersetzung: Marianne Schmidt

Blanvalet

510 Seiten



 

Der Hintergrund

Diesen Debütroman veröffentlichte die Britin Jodi Taylor zunächst als eBook in Eigenregie, bevor ein Verlag auf sie aufmerksam wurde und ihr einen Vertrag anbot.

Es handelt sich hier um den ersten Teil der "The Chronicles of St. Mary's" - Reihe, die mittlerweile bereits rund ein Dutzend Romane sowie zahlreiche Kurzgeschichten umfasst. Im Blanvalet Verlag erscheinen sie seit 2019 nach und nach auch in deutscher Übersetzung, Teil 3 ist für Anfang 2021 angekündigt.

 

 

Das Thema

Zeitreisen zum Zwecke der historischen Forschung

 

 

Der Einstieg

"In meinem Leben gab es zwei Momente - Momente, in denen sich alles änderte. Momente, in denen alles auf Messers Schneide stand. Augenblicke, in denen die Dinge in die eine oder in die andere Richtung hätten laufen können.

Der erste war der Moment, in dem ich nach einem weiteren Tag, an dem ich in der Schule nichts als Unruhe gestiftet hatte, vor meiner Direktorin Mrs. De Winter stand."

Nicht das letzte Mal, dass jene Mrs. De Winter eine entscheidende Rolle spielt

 

 

Der Inhalt

Das St. Mary's - Institut für Historische Forschung arbeitet mit einer geheimen Methode, die es ihm erlaubt, seine Studien von besonders exponierter Stelle und ganz nah am Objekt durchzuführen: Zeitreisen!

Als die Archäologin Madeleine Maxwell dort ihren Job antritt, wähnt sie sich im Historikerparadies. Doch schon bald muss sie feststellen, dass Reisen in vergangene Epochen und Forschungen vor Ort vor allem eines sind: lebensgefährlich!

 

 

Form, Stil und Sprache

Die Ich-Erzählerin besticht durch ihre schnoddrige, schlagfertige Art, wirkt bisweilen leicht verpeilt, widersetzt sich gerne sämtlichen Vorschriften und ist auf Anhieb schwer sympathisch. Dementsprechend erzählt sie ihre Geschichte auf die ihr eigene humorvoll-sarkastische Art, die das Buch zu einem locker und leicht zu lesenden Vergnügen macht.

 


Lob und Kritik

+++++ Angenehme Atmosphäre +++++

Die ganze Umgebung, in der die Geschichte spielt, also jene "Zeitreise-Firma" mit  dem dazugehörigen Campus und ihrem Personal, ist ebenso originell wie sympathisch. Genau wie die Erzählerin, die mit ihrem vorherigen Leben nicht so recht zufrieden war und eher ein Außenseiterdasein fristete, fühlt man sich auch als Leser am St. Mary's Institut sofort wohl. Das Ganze erinnert ein wenig an Hogwarts für Erwachsene.

 

+++++ Viele kleine Episoden, die ein großes Ganzes ergeben +++++

Gerade als man sich in die Welt hineingefunden hat und möglicherweise bei dem Gedanken ertappt: "Das macht ja schon Spaß, wirkt aber auf Dauer 'nur' wie eine Aneinanderreihung von kleinen Abenteuern und Anekdoten", da kommt es auch prompt zu einer Überraschung, die die Sache als Gesamtes spannender macht. Neben all den gelungenen Details kristallisiert sich so nach und nach auch der Überbau, der große Handlungsbogen, der Konflikt heraus.

 

- - - - - Unrealistischer Rahmen - - - - -

Etwas zweifelhaft ist die Glaubwürdigkeit einzelner Details. Mit zeitreisetypischen Paradoxie- oder Logikproblemen wird sich nur relativ kurz aufgehalten (wenngleich gar nicht schlecht gelöst), mit technischen Details praktisch überhaupt nicht. Das mag gut für den Lesefluss sein, aber hier und da hätte man sich vielleicht doch eine kurze Erklärung gewünscht. Geschmacksache.

Vor allem aber fällt auf: obwohl dieses Institut so eine teure, außergewöhnliche und wichtige Organisation ist, scheinen irgendwie alle machen zu können, was sie wollen. Blutige Anfänger werden auf die allerwichtigste Mission seit Jahren geschickt oder irgendwer nimmt spaßeshalber einfach mal einen Fachfremden mit. Solche Sachen erscheinen dann doch recht fragwürdig. Der ganze Laden wirkt überhaupt ziemlich unorganisiert und erinnert bisweilen eher an einen lustigen Schulausflug. Dieses fröhliche Chaos macht zwar einen Teil des Lesevergnügens aus, wirkt für eine solche Fakultät, die ja eigentlich wissenschaftlich anspruchsvolle Arbeit leisten soll, ziemlich unglaubwürdig.

 

+++++ Tolle Hauptfigur +++++

Die Erzählerin ist in ihrem Denken und ihrem ganzen Auftreten so normal, sympathisch und witzig, dass man ihr auch das eine oder andere irrationale Verhalten verzeiht. Denn auch das macht sie zu einer starken Figur: Einerseits vorlaut und schlagfertig, zugleich aber unsicher und verletzlich. Zweifellos clever und zielstrebig, landet sie mit ihrer impulsiven Art doch auch regelmäßig in diversen Fettnäpfchen. Trotz schwieriger Voraussetzungen hat sie viel erreicht, ist ihrer Vergangenheit aber nie so ganz entkommen. Kurzum: eine überaus spannende Persönlichkeit.

Und auch das restliche Personal wirkt sehr realistisch und aus dem Leben gegriffen. So hat man bei vielen Figuren das Gefühl: "Ja, genau so jemanden kenne ich auch."

 

+++++ Abwechslungsreich durch verschiedenste Epochen +++++

Für historisch interessierte Menschen sind solche Geschichten, die in verschiedenen Epochen spielen, naturgemäß besonders reizvoll. Dafür eignet sich ein Zeitreiseroman natürlich schon per Definition ganz ausgezeichnet, und die Autorin vermag dieses Potenzial zu nutzen. Und wer weiß, wohin uns die Reise in den zahlreichen Folgebänden noch überall führen wird ...

 

 

Das Fazit

Ein amüsant-unterhaltsamer Roman mit großartiger Protagonistin, der sich trotz durchaus vorhandener seriöser Untertöne insgesamt aber nicht übertrieben ernst nimmt. Wer sich dieser Haltung beim Lesen anschließt, wird eine Menge Spaß haben.


Jodi Taylor

Miss Maxwells kurioses Zeitarchiv

Eine sf-Lit - Rezension von 2020