Cheon Seon-ran
Tausend Arten von Blau
천 개의 파랑
2020
Übersetzung: Jan Henrik Dirks
Golkonda
365 Seiten
Mit ihrem zweiten (und bisher einzigen ins Deutsche übersetzten) Roman "Tausend Arten von Blau" gewann die Koreanerin Cheon Seon-ran in ihrer Heimat den Korea Science Fiction Award; hierzulande gab es zudem eine Nominierung für den Kurd-Laßwitz-Preis.
In einer Welt, in der humanoide Roboter zum Alltag gehören, werden sie unter anderem z.B. als Jockeys bei Pferderennen eingesetzt. Ein solcher ehemaliger Roboter-Jockey spielt hier eine der Hauptrollen. Das ist doch schon mal ein ungewöhnliches Setting.
Ansonsten geht es im weitesten Sinne um eine Familie (Mutter mit zwei Töchtern), ihre Beziehungen untereinander und überhaupt ihre Position in dieser Welt. Denn die ist, siehe oben, technologisch weiter fortgeschritten, aber anhand der Protagonistinnen wird sehr schön dargestellt, dass von diesem Fortschritt - wieder einmal - nicht alle Menschen profitieren, sondern dass er an den "kleinen Leuten" doch irgendwie größtenteils vorbeigeht.
Der Gesamt-Weltenbau ist nur angedeutet, funktioniert soweit aber und wirkt rund, wobei er nicht im Mittelpunkt der Geschichte steht. Hauptsächlich dreht es sich um die Figuren, und die sind mit all ihren Eigenarten, Sorgen, Problemen und Hoffnungen wirklich sehr gut gezeichnet.
Insgesamt wird anhand des hier gezeigten Mikrokosmos ein Blick auf große Themen wie Menschlichkeit, Gerechtigkeit oder Chancengleichheit geworfen und das ist schon wirklich hervorragend gemacht.
Der Science-Fiction-Aspekt des Romans ist streng genommen nicht immer optimal gelungen. Dass Roboter "Koli" eine auf Algorithmen beruhende Maschine sein soll, nimmt man der Autorin keinen Moment ab, dafür ist er viel zu menschlich beschrieben. Auch erscheinen gerade im letzten Drittel einige Handlungselemente etwas zu einfach gestrickt und damit unglaubwürdig - wodurch der Gesamteindruck etwas geschmälert wird.
Wobei das Urteil darüber nicht allzu hart ausfallen sollte, denn darum ging es der Autorin ja gar nicht so sehr, sondern vielmehr um die philosophisch-humanistischen Gedankenspiele.
Alles in allem also kein absolutes SF-Highlight, aber ein durchaus lesenswerter Roman. Und zum Pferderennen wird man danach wohl erstmal nicht mehr gehen wollen.